Gasspeicher bleiben leer: Droht Deutschland ein eisiger Winter?

Die Füllstände der Gasspeicher sind derzeit geringer als in den Vorjahren. Dabei ist der Start der Heizsaison nur noch rund sechs Wochen entfernt. Droht Deutschland ein Gasengpass im Winter?
Der Gasspeicherverband INES warnte in seinem Juli-Update vor einer schleppenden Befüllung der Gasspeicher in Deutschland. Die Füll-Kapazitäten würden bis 1. November des laufenden Jahres nicht ausgeschöpft werden.
Im Vergleich mit dem Vorjahr ist deutlich zu sehen, dass die Füllstände seit Oktober 2024 im laufenden Jahr im unteren Bereich des Bedarfsminimums liegen (rot), während sie von Oktober 2023 bis September 2024 am oberen Bereich des Durchschnitts der Jahre 2018 bis 2021 liegen (dunkelblau).
Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz gibt vor, dass Gasspeicher zum 1. Oktober 80 Prozent und zum 1. November 90 Prozent befüllt sein müssen. Zum 1. Februar gilt ein Zwischenziel von 30 Prozent.
INES: Gasversorgung bei kaltem Winter "nicht abgesichert"
Der Gasspeicherverband INES stellt als Prognose, dass eine vollständige Befüllung bis zum 1. November 2025 bereits technisch unmöglich geworden ist. Der Verband rechnet mit einem maximalen Gasspeicherfüllstand von etwa 70 Prozent. Daraus leitet der Verband verschiedene Szenarien für den kommenden Winter ab:
Bleibt der Winter 2025/26 eher mild, so würden die Gasspeicher "moderat bis umfangreich entleert". Der gesetzlich vorgegebene Füllstand in Höhe von 30 Prozent am 1. Februar 2026 könnte eingehalten werden.
In einem zweiten Szenario bei deutlich kälteren Temperaturen - diese orientieren sich am Extremwinter 2010 - könnten die Speicher bereits Ende Januar 2026 vollständig entleert sein. Die Versorgung bei aktuellen Verbrauchsmustern könnte in diesem Fall nicht abgesichert werden.
Das Juli-Update zeige, so Geschäftsführer von INES, Sebastian Heinermann, "dass ein Speicherfüllstand von 70 Prozent nicht ausreicht, um die Gasversorgung in einem sehr kalten Winter zu gewährleisten. Selbst dann nicht, wenn die Gasspeicher in unseren Nachbarstaaten vollständig befüllt worden sind. Dabei wurden alle LNG-Terminals in Deutschland einberechnet."
Er fordert eine bessere Vorbereitung: "Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Bundesregierung Gas-Versorgungssicherheit im kommenden Winter vollständig gewährleisten wird."
Rehden: Größter deutscher Gasspeicher hat Marktschwierigkeiten
Der Gesamtfüllstand liegt derzeit nach Angaben der Monitoring Plattform AGSI Europäischen Gasinfrastruktur bei rund 67 Prozent. Betrachtet man die Verteilung der Füllstände über die etwas mehr als 40 Speicherstätten in Deutschland, fällt allerdings auf: Die meisten weisen eine Befüllung über 80 Prozent vor.
Lediglich in den Speicherstätten an fünf Standorten, darunter beispielsweise die UGS Wolfersberg (6,21 Prozent), UGS Frankenthal (24 Prozent), UGS Inzenham-West (26,19 Prozent), UGS Rehden (20,4 Prozent), VSP NORD (Rehden, Jengum) (28,75 Prozent) liegen die Werte unter 30 Prozent. Die Daten stammen von der AGSI Monitoring Plattform vom 21. August 2025.
Der mit Abstand größte Gasspeicher ist der Standort Rehden in Niedersachsen. Technisch gesehen sollte dieser Speicher rund 18 Prozent an der deutschen Gesamtspeicherkapazität erfüllen. Es ist jedoch derzeit nur in Höhe von 20,4 Prozent gefüllt. Der Betreiber Sefe Storage berichtete in einer Pressemitteilung vom 5. August über Marktschwierigkeiten und äußerte Bedenken im Hinblick auf die gesetztlich vorgeschriebenen Mindestfüllbestände. Das Unternehmen habe deshalb seine Produktstruktur angepasst.
Auch der Betreiber EWE AG mahnt zur Vorsicht: "Wenn Speichernutzer keine wirtschaftlich tragfähigen Einspeicheranreize haben und sich der Staat zugleich aus der Verantwortung nimmt, ist das Risiko real, dass Speicher vor dem kommenden Winter nicht hinreichend gefüllt sind. Das darf nicht passieren", teilte er in einer Pressemitteilung Anfang Juli.
Doch von den nächstgrößeren Speicherstätten sind drei bereits gut befüllt, und die Vermarktung von Gasspeicherkapazitäten der anderen Stätten wird vermutlich die gesetzlichen Vorgaben erfüllen können, ergeben Berechnungen.
Befüllung im Ernstfall durch die Bundesregierung?
Auch Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sieht die Lage insgesamt gelassen. "Eine staatliche Befüllung durch die Trading Hub Europe ist angesichts der insgesamt sicheren Versorgungslage nicht erforderlich", sagte Reiche Anfang Juli.
Tradung Hub Europe ist der Marktgebietsverantwortliche und kann im Ernstfall eingreifen und eine Befüllung veranlassen. Dies war beispielsweise im Sommer 2022 der Fall. Damals wurde im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium der Speicher Rehden und weitere für mehrere Milliarden Euro befüllt. Das Defizit wurde über die Gaskunden abgewickelt.
Doch für Reiche ist auch der niedrige Füllstand in Rehden derzeit "kein Anlass zur Sorge". Sie begründet dies mit den hohen Füllständen der anderen Speicher und dem Ausbau der LNG-Terminals und -Infrastruktur. "Das ist eine gute Nachricht für die Versorgungssicherheit", ordnet sie ein.
Anders sehen das die Grünen im Bundestag. "Die Gasspeicher in Deutschland sind historisch schlecht befüllt, auch im Vergleich zu unseren Nachbarstaaten", sagte Michael Kellner von den Grünen gegenüber der Tagesschau. Er wolle keine Panik schüren, aber ihm bereite es Sorgen, "dass bei einem sehr, sehr kalten Winter die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet ist".
Gasspeicher in europäischen Ländern: Deutschland im Hintertreff
Im europäischen Vergleich ist die aktuelle Füllmenge Deutschlands eher weniger zufriedenstellend. Belgien ist mit einem Füllbestand von 89 Prozent besonders gut aufgestellt, darauf folgen Italien, Polen und Frankreich ebenso mit Füllständen über 80 Prozent. Die Niederlande haben mit derzeit 62 Prozent noch weniger Kapazitäten als Deutschland ausgeschöpft.
Zwar dauert die Befüllung der Gasspeicher mehrere Wochen, doch bisher überwiegt insgesamt Zuversicht. Sowohl das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie als auch die Gasindustrie selbst sähen derzeit keine Gefahr für eine akute Gasmangellage, bestätigten sie gegenüber der Tagesschau.
Zusätzlich zeigen erste Prognosen des Deutschen Wetterdienstes einen eher milden, sogar warmen Start in den Winter voraus. Niederschlagstechnisch soll der Winter im Durchschnitt liegen.
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