Viele intersexuelle Menschen in Europa sind immer noch Opfer von Konversionspraktiken

Intersexuelle Menschen sind in Europa zunehmend mit Gewalt und Belästigung konfrontiert, so der neueste Bericht der EU-Agentur für Grundrechte (FRA). Personen mit biologischen Merkmalen, die nicht den typischen männlichen oder weiblichen Mustern entsprechen, oder mit Merkmalen beider Geschlechter sind intersexuell.
Rund ein Drittel der intersexuellen Menschen in Europa (34 Prozent) geben an, sie seien in den vergangenen fünf Jahren körperlich oder sexuell angegriffen worden. Das ist ein starker Anstieg gegenüber 2019 - nämlich um 22 Prozent. Diese Rate ist dreimal so hoch wie die Zahl für LGBTIQ (auch: LGBTQIA+-Menschen insgesamt.
Die meisten Gewalterfahrungen werden von den Befragten in Österreich (45 Prozent), Spanien (42 Prozent) und Irland (41 Prozent) gemeldet. Auf der anderen Seite des Spektrums liegen Finnland (28 Prozent) und Tschechien (25 Prozent), die die geringsten Fälle von Gewalt verzeichnen.
Fast die Hälfte der befragten Intersexuellen gibt an, dass sie im vergangenen Jahr häufiger Online-Aufrufe zu Gewalt gegen LGBTIQ-Personen gesehen haben als andere Befragungsgruppen. Vemehrt kommt es zu Morddrohungen, Aufrufen zur Vergewaltigung, Prügel etc.
Der Bericht stellt fest, dass "Desinformationen" und "Online-Hassreden gegen LGBTIQ-Personen" die Unwissenheit der allgemeinen Bevölkerung über intersexuelle und transsexuelle Menschen schüren und Hass und Aufrufe zur Gewalt gegen intersexuelle Menschen verbreiten.
Konversionspraktiken
Die Umfrage ergibt auch, dass fast 40 Prozent der intersexuellen Menschen in Europa gezwungen wurden, sich "Konversions"-Praktiken zu unterziehen, verglichen mit 25 Prozent in anderen LGBTIQ-Gemeinschaften.
Dabei handelt es sich um Behandlungen oder Eingriffe, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person zu ändern.
Intersexuelle Menschen waren in Schweden (59 Prozent) am häufigsten von "Konversionspraktiken" betroffen, während die Prävalenz in Belgien und Rumänien (29 Prozent) am geringsten war.
Verbale Demütigung führt die Liste der Misshandlungen an (26 Prozent), gefolgt von familiärem Druck (16 Prozent), körperlicher Gewalt (8 Prozent) und sexueller Gewalt (4 Prozent). Auch diese Raten sind im Vergleich zu anderen LGBTIQ-Gruppen höher.
Intersexuelle Genitalverstümmelung
Intersexuelle Genitalverstümmelung - die auch als geschlechtsnormalisierende Operationen bezeichnet wird - ist ein medizinischer Eingriff, der häufig im Säuglings- oder Kindesalter vorgenommen wird. Dabei wird versucht, das Kind "in die binären (männlichen oder weiblichen) Geschlechtsmarkerkategorien der offiziellen Dokumente und Geburtsregister anzupassen", stellt die EU-Menschenrechtsagentur fest.
Dem Bericht zufolge sind diese Eingriffe "oft unnötig und werden nicht durchgeführt, um eine unmittelbare Bedrohung des Lebens oder eine drohende schwere Schädigung der körperlichen Gesundheit abzuwenden".
Mehr als die Hälfte (57 Prozent) der befragten intersexuellen Personen gaben an, dass weder sie noch ihre Eltern vor einer Operation oder Hormonbehandlung zur Veränderung ihrer Geschlechtsmerkmale ihre Zustimmung gegeben haben.
Solche Eingriffe werden am häufigsten in den Niederlanden (37 Prozent), Frankreich (32 Prozent) und Deutschland (32 Prozent) gemeldet. Die niedrigsten Raten gab es in Rumänien (14 Prozent), der Tschechischen Republik (14 Prozent) und Italien (14 Prozent).
Intersexuelle Menschen, die sich als Transfrauen oder Transmänner, nicht-binär und geschlechtlich divers identifizieren, sowie Menschen, die mit einer Behinderung leben oder einer ethnischen Minderheit angehören, sind sogar noch häufiger von Gewalt, Belästigung und Diskriminierung betroffen.
Der Bericht basiert auf den Antworten von 1.920 intersexuellen Menschen in 30 Ländern in ganz Europa. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte hat ihren Sitz in Wien.
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