SPD-Politiker warnt, Gaza-Kinder nach Deutschland zu evakuieren: "Sicherheitsproblem für Juden"

Mehrere deutsche Städte haben sich bereit erklärt, Kinder aus dem kriegsversehrten Gaza-Streifen sowie Israel aufzunehmen, um sie ärztlich und psychologisch zu versorgen. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) erklärte: "In einem ersten Schritt können wir das ohne weiteres bis zu 20 Kindern ermöglichen."
Auch Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) schloss sich dem an: "Diese starke und zutiefst menschliche Geste wollen wir auch aufgreifen". Die Bundesbehörden müssten die Voraussetzungen dafür schaffen, sich um die Auswahl der Kinder, die Einreiseverfahren wie Visa und die medizinische Koordination kümmern.
Wie Euronews aus Kreisen des Auswärtigen Amts erfuhr, werden konkrete Vorhaben zur Zeit mit verantwortlichen Partnern geprüft. Aus der Regierung ist heraus zu hören, dass Hilfe vor Ort in der Region im Hauptfokus stünde.
SPD-Politiker: "Nahostkonflikt wird zum Sicherheitsproblem"
Obwohl es möglich war, dass Kinder aus Gaza zur ärztlichen Behandlung nach Deutschland einreisen können: wurden seit Beginn des Krieges nur zwei Kinder eingeflogen. Die Sicherheitsbedenken bei ihren Begleitpersonen waren zu hoch. Der Verdacht: Verbindungen zur islamistischen Terrorgruppe Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert.
Bedenken bei den neuesten Vorschlägen hat auch Martin Matz, der Innenpolitische Sprecher der Berliner SPD. "Selbstverständlich spielen auch Sicherheitsüberlegungen eine Rolle bei diesen Überlegungen", betont er gegenüber Euronews.
Innenexperte Matz mahnt: "Leider müssen wir immer wieder feststellen, dass der Nahostkonflikt auch zum Sicherheitsproblem jüdischer Menschen in Berlin wird - während das umgekehrt nicht festzustellen war."
Die Situation in Gaza unterscheide sich von der vorher in Syrien oder dem Irak, wo die "Mehrzahl der vom Krieg betroffenen Menschen in Nachbarländern oder als Binnenflüchtlinge im eigenen Land" untergekommen waren.
"Ich habe daher die Erwartungshaltung, dass Nachbarländer mit teilweise erheblichen Möglichkeiten wie Ägypten, Saudi-Arabien oder Qatar sich hier zuerst in die Pflicht nehmen lassen, bevor auch Europa in besonders schwierigen Einzelfällen hilft", so Matz.
Berlin schließt sich der Initiative nicht an
Frankreich setzte bereits seine Evakuierung von Menschen aus Gaza vorerst wegen Sicherheitsbedenken aus. Eine junge Palästinenserin, die als Studentin in Frankreich mittels eines Stipendiums der Regierung im Rahmen eines Hilfsprogramms aufgenommen wurde, sorgte für einen Skandal. Denn in den sozialen Netzwerken hatte sie Hitlerbilder verbreitet und zum Mord an Juden aufgerufen. Im Screening der Sicherheitsbehörden wurde dies nicht erkannt, sie erfüllte alle Kriterien.
Auf eine Euronews-Anfrage an den Regierenden Bürgermeister Berlins, ob Berlin ebenfalls hilfsbedürftige Kinder aus Gaza initiativ aufnehmen will, antwortete die Senatskanzlei: „Über eine etwaige Aufnahme von traumatisierten Kindern aus Gaza und Israel entscheidet die Bundesregierung. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es daher im Senat keinen Beratungsbedarf.“
Heißt: Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) schließt sich der Initiative von seinen Kollegen aus Hannover und Düsseldorf nicht an.
Polizeigwerkschaftler: "Sicherheitsspezifisch mindestens fragwürdig"
Polizeigewerkschaftler Manuel Ostermann sieht dies ähnlich. Er sagt zu Euronews: "Menschen aus einer terroristischen Hochburg nach Deutschland zu überführen ist sicherheitsspezifisch mindestens fragwürdig. Wir sollten Deutschland nicht weiter mögliche terroristische Bedrohungslagen aussetzen."
Der Vize-Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) erklärt weiter: "Die Hamas-Terroristen könnte die gut gemeinte Maßnahme für ihre Zwecke missbrauchen. Wir können insbesondere Kindern und Zivilisten auch zielführend helfen, ohne die Menschen nach Deutschland einzufliegen."
Ostermann: "Kindern muss geholfen werden, ohne Zweifel!"
Die Sicherheit der eigenen Bevölkerung müsse Priorität haben. Nicht der Aufenthalt in Deutschland sichere Leben, "sondern die Befreiung aus den Händen von Terroristen".
Ostermann sagt deutlich: "Kindern muss geholfen werden und das ohne jeden Zweifel. Das Leid gerade für unschuldige Kinder muss beendet werden! Deutschland sollte sich zielführend daran beteiligen. Die Menschen nach Deutschland zu überführen ist dabei aber nicht notwendig."
Stattdessen könne man den Menschen vor Ort durch sichere Korridore oder Unterbringung in sicheren Drittstaaten helfen.
"Die Kinder aus den Zwängen von Hamas-Terroristen zu befreien und ihnen somit Schutz zu gewähren ist eine humanitäre Verpflichtung, welche eben in sicheren Drittstaaten gewährleistet werden kann - hier sollte Deutschland den Schwerpunkt setzen", so der Polizeigewerkschaftler.
Ärztin klagt: Kinder in Gaza von Hunger bedroht
Israel hatte Anfang März für zehn Wochen die Hilfslieferungen in den Gazastreifen blockiert. Dies sorgte für eine Verschärfung der humanitären Situation im Kriegsgebiet. Das Land hatte das damit begründet, dass die Hamas die Hilfsgüter gewinnbringend weiterverkaufen würde, um ihre Waffen zu finanzieren. Laut einer aktuellen Analyse der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) zeichnet sich eine Hungersnot ab
Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF vermutet, dass Hunderttausende Kinder im Gazastreifen von akuter Mangelernährung bedroht sind. "Die medizinische Infrastruktur in Gaza ist weitgehend zerstört. Viele Krankenhäuser wurden beschädigt oder sind wegen Treibstoff-, Personal- und Materialmangels nicht mehr arbeitsfähig", erklärte Lara Doviat, Leiterin der politischen Abteilung von Ärzte ohne Grenzen, gegenüber dem WDR.
Zu der Mangelernährung kämen Verletzungen durch Explosionswaffen dazu, "darunter großflächige Brandwunden, Splitterverletzungen, offene Frakturen". die Leiterin sagte: "Unsere Teams behandeln regelmäßig Kinder mit Verbrennungen, die bis zu 50 bis 70 Prozent der Körperoberfläche betreffen."
Deswegen sei ein Transport für einige dieser Kinder die einzige Überlebenschance. Ihre Ärzte-Teams in Gaza würden unter extremen Bedingungen arbeiten, häufig ohne Strom, ohne Schmerzmittel und mit eingeschränkten Operationsmöglichkeiten.
Die SPD-Fraktion im Bundestag hat die für Städte-Initiative für Evakuierung von hilfsbedürftigen Kindern aus Gaza begrüßt. „Wir begrüßen als SPD-Fraktion, dass sich viele der Initiative anschließen“, sagte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic."
In Gegensatz zu Deutschland hatten anderen EU-Staaten wie Spanien, Frankreich und Norwegen bereits schwer verletzte Kinder aus dem Kriegsgebiet evakuiert.
Vor kurzem hatte die Merz-Regierung Hilfsgütern aus der Luft in Gaza abgeworfen. Mittlerweile mussten deutsche Sicherheitskreise einen schweren Realitätsschock eingestehen. 50 bis 100 Prozent landeten demnach bei der radikalislamischen Hamas - statt bei der Zivilbevölkerung.
Links-Partei will Evakuierung auf Eltern und Geschwister erweitern
Der Linken im Bundestag gehen die Vorschläge noch nicht weit genug. „Dass einzelne Städte einige Kinder aufnehmen wollen, ist gut, denn jeder gerettete Mensch zählt. Aber was ist mit deren Eltern und Geschwistern?“, so Linke-Fraktionsvize Clara Bünger, „auch sie sollten ein Leben in Sicherheit und Würde führen können."
Zugleich nimmt die AfD die arabischen Staaten und Israel in die Pflicht. Der stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Frohnmaier sagte: „Die Verantwortung liegt in der Region. Arabische und islamische Staaten sind gefordert, ihrer humanitären Verantwortung gerecht zu werden. Auch Israel muss in Verantwortung genommen werden und einen Beitrag leisten.“
Die Solidarität beginne vor Ort, „Deutschland ist voll. Wir sind an unserer Belastungsgrenze – personell, finanziell und gesellschaftlich", so Frohnmeier.
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